Zeitwertgerechte-Reparatur-Auto-mit-gebrauchten-ersatzteilen Die grüne Reparatur: Instandsetzung mit Gebrauchtteilen
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Viele Versicherungen sehen ein Problem in der Preisentwicklung auf dem Auto Ersatzteilemarkt. Steigende Reparaturkosten halten die Fahrzeug Versicherer dazu an, die Preise zu erhöhen. In Frankreich zum Beispiel gibt es bereits die Möglichkeit, Fahrzeugschäden mit Gebrauchtteilen zu reparieren. Dies könnte in der Zukunft auch in Deutschland eingeführt werden.

Steigende Ersatzteilkosten sind ein Problem für Versicherungen

Alles wird teurer: Davon bleiben auch Autoteile nicht verschont. Die Ersatzteilpreise sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Das stellt ein Problem für Autofahrer und Versicherungen dar. Viele Anbieter beklagen, dass die Kosten für die Reparaturen die Einnahmen weit übersteigen und reagieren mit Preiserhöhungen. Das führt zu einem Kreislauf, an dessen Ende der Kunde mit deutlichen Mehrkosten belastet wird.

Preisanpassungen der Versicherungen im Jahr 2024 um bis zu 25 %

Ende des Jahres 2023 erwartete viele Autofahrer eine unangenehme Überraschung: Viele Autoversicherungen erhöhten die Beiträge deutlich. Hier waren Preissprünge im Bereich zwischen 10 und 25 % zu verzeichnen. Einige Versicherer reagierten auch mit neuen Modellen zur Rückstufung im Schadenfall. So verlieren Autofahrer heute deutlich mehr Schadenfreiheitsklassen bei einem Unfall als noch vor Jahren.

Diese Entwicklung veranlasst viele Halter dazu, ihre Versicherung regelmäßig zu wechseln. Besonders die großen Versicherer leiden unter diesem Trend und suchen nach Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken. Eine Möglichkeit dazu ist die Senkung der Reparaturkosten durch die Verwendung gebrauchter Autoteile. Die Allianz kündigte das in einer Erklärung am 10. Mai öffentlich an.

Idee: „Grüne Reparatur“ mit gebrauchten Autoteilen

Der Grundgedanke zur Reparatur mit Gebrauchtteilen ist keinesfalls neu. Bei privaten Reparaturen werden seit Jahrzehnten gebrauchte Teile eingesetzt. Auch viele Werkstätten haben diese Möglichkeit schon erkannt und bieten den Service bei bestimmten Schäden an. Das hat verschiedene Vorteile:

  • Preisersparnisse um bis zu 80 % gegenüber Neuteilen
  • Anzahl der Autos mit wirtschaftlichen Totalschäden sinkt
  • gesetzeskonforme Verwertung von Fahrzeugen mit wirtschaftlichen oder technischen Totalschäden
  • geringerer CO2-Fußabdruck, da Gebrauchtteile im Schnitt rund 75 % weniger CO2-Äquivalente erzeugen

Nun denken auch Versicherungen über diese Möglichkeit nach. Üblicherweise werden bei Versicherungsschäden ausschließlich neue Teile verbaut. Das stellt den Zustand des Autos wieder perfekt her, verursacht aber enorme Kosten. Ein einzelnes Karosserieteil kostet je nach Marke und Modell mehrere Tausend Euro. Mit Gebrauchtteilen könnte hier viel Geld gespart werden.

Reparatur mit gebrauchten Teilen in anderen Ländern bereits üblich

Andere Länder nutzen die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen schon länger. In England, Niederlande und Frankreich beispielsweise ist das üblich. Hier gibt es teils genaue Vorgaben, wann gebrauchte Teile eingesetzt werden. In Frankreich müssen Werkstätten seit dem 01. Januar 2017 die Reparatur mit Gebrauchtteilen anbieten. In den Niederlanden ist der Austausch durch Gebrauchtteile ebenfalls etabliert. Hier gibt es verschiedene Unternehmen, die sich auf den Verkauf dieser Teile spezialisiert haben.

In Deutschland steht diese Möglichkeit ebenfalls zur Verfügung. Auf unserem Marktplatz Autoteile-Markt.de können Verkäufer neue und gebrauchte Teile anbieten. Der Service wird bereits von vielen freien Kfz-Werkstätten genutzt, jedoch noch nicht flächendeckend. Besonders Autohäuser greifen meist auf die teuren Originalteile direkt vom Hersteller zurück, da dies oftmals verpflichtend ist. Das könnte sich mit neuen Regelungen ändern.

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Welche Ersatzteile sollen gegen Gebrauchtteile ausgetauscht werden?

Der Fokus liegt bei der Allianz derzeit auf den Karosserieteilen, die bei vielen Autos enorme Kosten verursachen. Es betrifft nach Aussage der Versicherung 25 ausgewählte Teile. Darin enthalten sind zum Beispiel:

Sicherheitsrelevante Teile werden derzeit noch nicht durch Gebrauchtteile ersetzt. Das betrifft beispielsweise Teile der Bremsanlage und Rückhalteeinrichtung, Airbags und Räder. Auch Motoren und Getriebe werden derzeit noch nicht gegen Gebrauchtteile ausgetauscht.

Ausgeschlossen ist dies für die Zukunft allerdings nicht. Hier muss die Versicherung einen Weg finden, die Funktionsfähigkeit der Teile zweifelsfrei zu überprüfen. Wenn dem Kunden keine Nachteile entstehen, spricht auch bei derartigen Ersatzteilen nichts gegen die Wiederverwertung.

Woher werden solche Gebrauchtteile bezogen?

Es stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung, wie gebrauchte Autoteile bezogen bzw. im Umlauf bleiben:

  • Ausbau aus einem Unfallfahrzeug mit Totalschaden durch Autoverwerter
  • Instandsetzung gebrauchter Teile durch Fachbetriebe

Seit vielen Jahren sind zertifizierte Autoverwerter diejenigen die sich genau darauf spezialisiert haben und täglich eine Vielzahl von Fahrzeugen verwerten und intakte Autoteile für den Verkauf zur Verfügung stellen. Das betrifft zum Beispiel Türen, Kofferraumklappen, Spiegel, Scheinwerfer, Stoßstangen, Kotflügel, Motoren und Getriebe, Sitze und einige mehr. Mit gebrauchten Teilen können Käufer deutlich Kosten sparen und vor allem wichtige Ressourcen für Neuteile reduzieren.

Allianz mit dem Vorstoß zur Reparatur mit Gebrauchtteilen

Das Allianz-Zentrum für Technik (AZT) versuchte bereits mit einer Studie 1999, die sinnvolle Verwendung von Gebrauchtteilen bei der Reparatur zu untersuchen. Damals war der Markt noch nicht bereit dazu und es standen nur wenige Möglichkeiten für eine Untersuchung zur Verfügung. Dennoch wurde festgestellt, dass die „grüne Reparatur“ einen großen Nutzen für Kunden und Versicherungen bieten würde.

Sicherung der Qualität von gebrauchten Teilen

Ein großes Thema bei der Verwendung gebrauchter Teile ist die nötige Qualität. Viele Werkstätten und Autofahrer trauen den Gebrauchtteilen nicht, da sie eine schlechte Qualität oder Schäden vom vorherigen Gebraucht fürchten. Hier hilft eine Prüfung der Teile durch qualifizierte Stellen.

Die Autoverwerter bieten aus diesem Grund ausschließlich geprüfte Teile an. Diese wurden vor und nach dem Ausbau geprüft, getestet und bei Bedarf instandgesetzt oder auch entsorgt, wenn diese nicht mehr verwendet werden konnten. Somit erhalten Kunden günstigere Ersatzteile mit Gewährleistung. Es entstehen also keine Nachteile beim Kauf gebrauchter Autoteile.

Die Allianz hat zur Qualitätssicherung in den letzten Jahren ein eigenes Netzwerk aufgebaut. Mit der Plattform greencasion werden zertifizierte Autoverwerter registriert und erfasst. Sie verpflichten sich damit, auf der Plattform ClaimParts ihre Teile anzubieten. Für Werkstätten bedeutet das wenig Aufwand, da die Ersatzteile zentral gelistet sind. Außerdem müssen sie sich nicht selbst um eine Überprüfung der Teile kümmern.

Welche Fahrzeuge werden mit Gebrauchtteilen repariert?

Die Idee ist, Fahrzeuge mit einem Alter zwischen vier und zehn Jahren mit gebrauchten Autoteilen zu reparieren. Jüngere Fahrzeuge sollen weiterhin mit Neuteilen repariert werden, um den Wert vollständig zu erhalten bzw. weil diese zudem der Gewährleistung durch den Hersteller unterliegen.

Bei älteren Autos hingegen lohnt sich oft auch die Reparatur mit Gebrauchtteilen nicht mehr. Hier wird es immer eine Einzelfallentscheidung geben, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt. Hier gilt die Regel, dass die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert des Autos um maximal 30 % überschreiten dürfen. Dieser Fall würde deutlich seltener eintreten, wenn die Reparatur mit Gebrauchtteilen vorgenommen wird.

Allianz hofft auf Nachfolge anderer Versicherungen

Mit der Allianz schlägt einer der größten Autoversicherer einen neuen Weg ein. Das ist allerdings nur der erste Schritt. Weitere Versicherungen müssen dem Beispiel folgen, um den Kreislauf der Teileverwertung zu vervollständigen. Für die Kunden könnte sich dadurch langfristig eine Stabilisierung der Versicherungskosten ergeben.

Der Vorstandsvorsitzende der Allianz Versicherungs-AG sagte dazu klar: “Wir hoffen, dass auch andere Versicherer unserem Beispiel folgen. Gemeinsam können wir es schaffen, unbeschädigte Teile aus Totalschadenfahrzeugen einem sinnvollen neuen Verwendungszweck zuzuführen.”

Es bleibt spannend, ob und wie andere Versicherungen auf diese Entwicklung reagieren. Fakt ist: Wenn der Kreislauf funktioniert, kann die Allianz langfristig neue Maßstäbe in Sachen Preis-Leistung setzen. Das bringt andere Versicherer möglicherweise dazu, selbst über derartige Maßnahmen nachzudenken.

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F. Selleng wurde in Köthen (Anhalt) geboren. Als ausgebildeter Mechatroniker bei der Deutschen Bahn, arbeitete er dort in der Wartung und Instandhaltung von Schienen-Baufahrzeugen.
Nach einer Fortbildung zum Industriemeister Elektrotechnik wechselte er später in die Autoindustrie nach Leipzig. In den folgenden Jahren arbeitete er bei Porsche und BMW.
Seit dem Schuljahr 2016/17 ist er als Fachlehrer für Elektrotechnik an einer Berufsschule tätig. Im gleichen Zeitraum begann er, als freier Autor fachliche Texte und Ratgeber zu verfassen.

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