Volvo wird von vielen Oldtimerenthusiasten gerne verschmäht. Dabei hat die Marke aus dem hohen Norden alles, was es braucht, um nüchternes, geradezu nordisch kühles Understatement mit dem Zeug für einen absolut alltagstauglichen Klassiker zu kombinieren. Unseren heutigen Blogbeitrag widmen wir deshalb Schwedens nüchternen Exportschlagern.

Eisen und Attitüde

Bild-1-300x200 Volvo: Die nüchternen Schweden mit der versteckten Leidenschaft

V wie Volvo, V wie Vernunft. Besser lassen sich vor allem die Oldies der Marke aus dem hohen Norden nicht umschreiben.
unsplash.com © Adam Cai

Manchmal sagt ein Logo alles aus, was man über eine Marke wissen muss, wenn man ein wenig nachdenkt. Bei keinem anderen Hersteller dürfte die Botschaft so klar sein wie bei Volvo. Da hängt seit dem Gründungsjahr 1927 an jedem Fahrzeug ein nur sehr dezent verändertes Logo: Ein Kreisring mit nach „Zwei Uhr“ weisendem Pfeil. Was die meisten als Symbol für Männlichkeit interpretieren, hatte damals auch noch eine Zweitbedeutung: Es war das chemische Symbol für Eisen und das Volvo-Logo daher als „Iron Mark“ bekannt.

Doch was heute aus Traditionsgründen beibehalten wird und damals aus der schlichten Tatsache heraus entstand, dass Autos aus Eisen bestanden und fast ausschließlich von Männern gefahren wurden, zeigt auf so vielfältige Art die Attitüde hinter dieser Marke: Stabil, hart im Nehmen, kein verschnörkelter Firlefanz. Ein Auto wie ein Holzfäller. Vielleicht nicht elegant, dafür aber zurückhaltend, stark und zuverlässig.

Und genau das ist es, was Volvos seit jeher ausmacht. Sie sind keine verspielten Design-Wunder wie ein Italiener. Sind wesentlich sorgsamer gebaut als die notorischen Briten. Sind keine hochkomplexen Ingenieurs-Denkmäler wie so manche Deutsche. Sie sind auch nicht so technisch-experimentierfreudig wie Franzosen, allen voran „Die Göttin“ von Citroen. Und obwohl in ihnen der hart arbeitende Kilometerfresser steckt, sind sie doch keine durstigen, lauten Cowboys wie die Amerikaner. Sie sind einfach das, was diejenigen vor ihrem inneren Auge haben, die sagen „ich brauche ein Auto, um von A nach B zu kommen“ – auch wenn das das Klischee des „Langweiler-Autos“ einbrachte, das vor allem Konsumverweigerer fuhren. In Schweden ist Volvos Modell 240/260 noch heute als „Sosselådan“ – Sozen-Kiste – bekannt.

Ein treuer Begleiter

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Einer der ersten großen Würfe Volvos war der PV554, der sogenannte „Buckelvolvo“, der von 1958 bis -69 produziert wurde.
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Volvo existiert wie bereits angemerkt seit 1927. Doch für diese nunmehr 91-jährige Lebenszeit hat der Hersteller erstaunlich wenig von dem erfahren, was man „internationale Begeisterungsstürme“ nennen würde. Volvo-Designerpreise sind ein Phänomen dieses Jahrtausends. Da bekamen unter anderem C30 und S90 einige Awards.

Nein, der Grund, der einen bei Old- wie Youngtimern für Volvo begeistern kann, liegt woanders:

  • Schweden produziert seit jeher hochwertigen Stahl. Alle alten Volvos bestehen daraus, weshalb sie in Sachen Rostprobleme, bis auf gewisse Ausnahmen, hinter den meisten anderen Oldtimerherstellern rangieren.
  • Die Motoren sind auffällig sorgsam durchkonstruiert. Hier wurde grundsätzlich auf Höchstleistungen zugunsten von Langlebigkeit verzichtet. Experten bescheinigen vor allem den Motoren der 60er, 70er und 80er „Millionen-Kilometer-Tauglichkeit“.
  • Volvo betrieb über eine Politik der langandauernden Modellgenerationen, sodass große Auswahl innerhalb einer Baureihe besteht
  • Die Autos sind generell stabil konstruiert. Das beginnt beim Unfallschutz und zieht sich bis in die Haltbarkeit von Fahrwerksbauteilen.
  • Die Ersatzteilversorgung ist erstklassig. Für Deutschland ist einer der Top Ansprechpartner und kann zahlreiche Volvo Teile binnen weniger Werktage liefern oder besorgen.
  • Manche können mit dem sehr nüchternen Schweden-Design nichts anfangen. Die Nachfrage ist also gering. Kombiniert mit der Tatsache, dass von den langlebigen Volvos noch viele existieren, ergibt das ein vergleichsweise zahmes Preisniveau bei den meisten Modellen.

Eigentlich ein echter Oldtimer-Traum: Hohe Zuverlässigkeit, niedrige Preise, beste Ersatzteillage. Doch auf welche Schweden sollte man sich denn fokussieren?

Understatement ist auch eine Designkunst

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Solche Linien lassen zweifeln, dass Volvo mit der Baureihe 120/130 eigentlich ganz normale Familien anpeilte.
pixabay.com © Nekkenjp

Der bisherige Artikel könnte den Eindruck erwecken, dass Volvos Design generell in etwa so aufregend wäre wie ein Milchbeutel. Dem ist natürlich nicht so. Volvo hatte durchaus auch sportliche Ambitionen, welche auch heute noch eine vergleichsweise große Basis ansprechen.

  • Klein, und für ein Familienauto sehr sportlich war die Serie 120/130, die als Amazon bekannt ist. Ein von 1956 bis 1970 gebautes Fahrzeug, das weit über eine halbe Million Mal gebaut wurde.
  • Wirklich sportlich ist der P1800. Sein Design ist hochemotional – kein Wunder, dafür stand der Pelle Petterson Pate, der beim italienischen Design-Genie Pietro Frua in die Lehre gegangen war. Der P1800 wurde zwischen 1961 und 1972 gebaut. Kenner suchen nach Modellen ab 1969, bei denen auch die Karosserie, die zuvor in Großbritannien gefertigt worden war, in Schweden gebaut wurde.
  • Eine ganz neue Klasse von Autos bildete der P1800ES. Der Shooting Brake, also ein Coupé mit sportlichem Kombi-Heck, ist heute noch weit über die Volvo-Szene hinaus unter seinem Spitznamen „Schneewittchensarg“ bekannt, der daher stammt, dass das Heck samt Klappe großzügig verkleidet war. Er wurde zwischen 1968 und -74 in gut 8000 Stück gefertigt, muss also heute gesucht werden.

So viel zu den sportlicheren Liebhaberstücken. Doch welchen Volvo sollte man wählen, wenn man wirklich ganz tief in die genannte Volvo-Attitüde einsteigen will?

In dem Fall gibt es nur eine Antwort: Die Modellreihe 240/260. Sie ist „der“ Volvo. Schon in Sachen Bauzeit ein Marathonläufer, lief das Fahrzeug der Mittel- (240) bzw. oberen Mittelklasse (260) von 1974 bis 1993 ununterbrochen vom Band. Außen fällt vor allem eines auf: Die ins Extreme getriebene Kantigkeit. Das liegt vor allem an den vergleichsweise dicken Stoßstangen. Doch die sind sowohl ein Vorteil wie sie Absicht sind. Denn der 240 entstand aus einer Designstudie namens Experimental Safety Vehicle, das ausloten sollte, was damals in Sachen Sicherheit möglich war – und der 240 inkorporierte fast alles davon. Knautschzonen, Fußgänger-Aufprallschutz und eben die XXL-Stoßstangen. Der 240 war sicherheitstechnisch seiner Zeit so weit voraus, dass er noch 1991 zum sichersten Auto der USA gekürt wurde. Und selbst heute, mit H-Kennzeichen für alle Modelle vor 1989, dürfte er immer noch der sicherste Oldtimer sein.

Und genau deshalb gilt es auch heute noch: Der 240/260 ist ein Oldtimer für alle, die gut und sicher von A nach B kommen wollen. Kein Designgewinner, aber ein ehrlicher, treuer, schweigsamer Kumpel, der immer da ist.

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